Storytelling: Spannende Geschichten im Online Marketing
Immer mehr Unternehmen betreiben Content Marketing – aber immer weniger Kunden wollen Content konsumieren. Eines der mächtigsten und gleichzeitig am meisten unterschätzten Instrumente ist hierbei Storytelling. Der Begriff klingt zunächst platt nach „Geschichtenerzählen“, aber dahinter steckt ein ganzes System an Regeln. Wenn Ihr diese richtig anwendet, könnt Ihr seine Außenwirkung enorm verstärken.
Wie bin ich zu Storytelling gekommen?
Obwohl ich (wie Ihr wisst) Content Marketing für eine sehr gute Technik für das Online Marketing halte, fragte ich mich schon sehr lange: „Ist da nicht noch mehr? Wie kann ich hier noch besser werden?“ Lange fand ich leider nichts außer kleineren Tipps und Kniffen sowie dem Ansatz, die Qualität von Beiträgen zu erhöhen. Auf der SMX vor drei Jahren hörte ich Julius van de Laar als Keynote-Speaker und erfuhr das erste Mal (nur am Rande) etwas über Storytelling. Mich hat diese Keynote damals unheimlich fasziniert, also beschloss ich, mich näher mit dem Thema Storytelling zu befassen. Und hier fand ich dann das, wonach ich gesucht hatte!
Im Content Marketing passiert momentan Folgendes:
- Immer mehr Webmaster erstellen immer bessere Inhalte.
- Gleichzeitig haben Webseitenbesucher immer weniger Interesse an diesen Inhalten und sind mittlerweile „verwöhnt“.
Sehen wir uns einmal den SEO-Blog-Bereich an: Vor drei Jahren war er fast ausgestorben. Kaum jemand in Deutschland publizierte noch neue Inhalte. Mittlerweile gibt es mehr und mehr gute, neue Blogs mit besseren Inhalten als jemals zuvor. Gleichzeitig haben viele Webmaster immer weniger Zeit, diese guten Inhalte auch zu lesen. Bereits 2014 sprach Mark Schaefer erstmals vom „Content Schock“. Auch wenn sie noch in der Zukunft liegt: Wie kommt man aus dieser Misere heraus? Durch enorm gute, neue Marketingkonzepte, die in der Nische stattfinden.
Eines davon ist Storytelling.
Nachdem ich das Buch von Petra Sammer gelesen hatte, wurde mir vieles klarer. Als ich dann die ersten Tests gefahren hatte, merkte ich, was für ein mächtiges Werkzeug man da hat. Storytelling-Elemente einzubauen ist oftmals das i-Tüpfelchen für Euren Content. Anders ausgedrückt: Wenn Ihr endlich einmal nach etwas (für Euch) Neuem und Großartigem im Marketing sucht, dann beschäftigt Euch mit Storytelling.
Was ist Storytelling?
Storytelling ist eine Erzähltechnik, die Geschichten emotional derart auflädt, dass der Zuhörer erstens die Geschichte gerne hört und zweitens auf emotionaler, nicht auf sachlicher Ebene angesprochen wird. Geschichten (in unserem Fall rund um Produkte oder Unternehmen), die mittels Storytelling erzählt werden, „wirken“ mehr und sind einprägsamer als das herkömmliche Abstottern von Produkteigenschaften.
Wie funktioniert Storytelling?
Bei Storytelling geht es nicht darum, einfach nur Geschichten zu erzählen, sondern sie auf eine bestimmte Art und Weise zu erzählen. Es ist eine „Art, Geschichten zu erzählen“, die strengen Regeln folgt. Mein Storytelling ist ein Gemisch aus unterschiedlichsten verschiedenen Richtungen, die sich aus Literaturwissenschaft, Biologie und Psychologie zusammensetzen. Klingt verrückt – ist es auch 🙂
Biologie: Du erlebst, was Du siehst, als wäre es Dein eigenes Erlebnis
Viele Wissenschaftler, allen voran Uri Hasson von der Universität Princeton forschen seit Längerem daran, was mit dem menschlichen Gehirn passiert, wenn es Geschichten hört. Im Prinzip sind das zwei wichtige Dinge:
- Unser Gehirn erlebt das Erzählte so, als würde es uns selbst passieren. Teilweise schüttet unser Körper sogar die entsprechenden Hormone aus und wir zeigen zum Beispiel Angst, wenn wir einen Horrorfilm ansehen. Die Gehirnströme einer Person, die etwas Aufregendes erlebt und jemandem, der nur dabei zusieht, ähneln sich sehr stark. Die gleichen Gehirnregionen sind aktiv. Ein gutes Video hierfür ist The Dramatic Arc von Paul Zac
- Die Gehirne von Geschichtenerzählern und -zuhörern synchronisieren sich, während eine Geschichte erzählt wird. Dieser Effekt wird „Neural Entrainment“ genannt. Durch eine gute Story kann man also Wissen in fremde Gehirne „einpflanzen“.
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Literaturwissenschaft: Joseph Campbell und die Heldenreise
Was haben Star Wars, Harry Potter und Herr der Ringe gemeinsam? Nicht nur, dass sie erfolgreiche Bücher sind – die Geschichten dieser Werke folgen alle einem ganz gewissen Ablauf, wie der Literaturwissenschaftler Joseph Campbell bereits vor Jahrzehnten herausgefunden hat. Diesen Ablauf nennt er „Heldenreise“. Sie ist recht komplex, weswegen ich Euch lieber ein unterhaltsames Video dazu zeige:
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Was hat die Heldenreise mit Online Marketing zu tun?
Ganz einfach: Einen Anfang kann man bei Storytelling machen, wenn man seine Geschichte ähnlich aufbaut wie die Heldenreise von Joseph Campbell.
Das bedeutet:
- Der Held (zum Beispiel der Kunde) hat anfangs einen starken Wunsch oder ein persönliches Verlangen. Bei Frodo, Harry Potter und Luke Skywalker ist das einfach – alle wollen hinaus in die Welt.
- Der Held verlässt seine gewohnte Umgebung, um etwas Neues zu wagen. Das kommt oft in Gründungsstories vor.
- Er bekommt Hilfe vom sogenannten Enabler – idealerweise vom Unternehmen, das eigentlich im Video das Produkt vermarkten möchte .
- Er schafft es nicht auf Anhieb, sondern erreicht eine (möglichst tiefe) Krise.
- Letzten Endes erreicht er sein Ziel (mit Hilfe des Enablers), ist aber eine andere Person als vorher und hat sich im Vergleich zum Anfang verändert.
Seht Euch einmal die Gründungsmythen von Apple, Tesla und Google an. Ihr werdet sicher einige Elemente der Heldenreise erkennen.
Psychologie: Wieso funktioniert die Heldenreise so gut?
Bevor ich Euch eine typische Heldenreise zeige, will ich auf ein paar theoretische Dinge eingehen. Wie viele wissen, habe ich Geschichte studiert. Ich vermute daher hinter dem System der Heldenreise eine jahrtausende, wenn nicht sogar jahrhunderttausende Jahre alte Tradition, die so tief verwurzelt in unserer Kultur – vielleicht auch in der DNA – ist, dass darauf jeder Mensch reagiert.
- Der Zuhörer, d.h. der Kunde, identifiziert sich automatisch mit dem Helden (Vorsicht: Der Held muss anfangs ein „Normalo“ ohne besondere Fähigkeiten sein, siehe Frodo, Harry Potter und Luke Skywalker)
- Die Geschichte wird, wie anfangs beschrieben, physisch durchlebt und dadurch stärker wahrgenommen als sonstige Stories.
- Die Geschichte bleibt weitaus besser im Gedächtnis als ohne Storytelling-Elemente – auch nach sehr langer Zeit. Schaut mal, ob Ihr Harry Potter oder Herr der Ringe gut rekonstruieren könnt – und zum Vergleich irgendeinen 08/15 Actionfilm.
- Nicht zuletzt sprecht Ihr potenzielle Kunden auf emotionaler Ebene an, nicht auf rationaler Ebene. Der Persuasionsprozess, d.h. die Überzeugung vom Produkt findet unbewusst statt – man kann sich kaum dagegen wehren.
Start something new: Ein Paradebeispiel von Storytelling
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Kontaktiere unsUnd? Habt Ihr es bemerkt? Viele Elemente der Heldenreise sind in diesem Video untergebracht. Die Krise, in die der Protagonist auf seiner Reise für gewöhnlich fällt, fehlt zwar, aber der Rest ist hervorragend umgesetzt. Kam Euch dieser Werbespot als Werbung vor? Sehr gut herausgearbeitet ist der Aufbruch des alten Mannes, als er plötzlich nicht mehr an seinem gewohnten Platz sitzen kann (Krise) und die Transformation, als er zurückkehrt.
eBay Thanks you – Ed Church
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In diesem Video ist die Krise gut herausgearbeitet, als er beim ersten Mal sein Motorrad auf Ebay findet und nicht genug bietet.
Dresdner Striezlmarkt: Deutsches Storytelling-Beispiel
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Dieses Beispiel passt zwar momentan gar nicht in die Jahreszeit, ist aber meiner Meinung nach auch sehr gut gelungen. Interessant ist auch, dass dieses Video (wie das E-Bay Video) völlig ohne Text auskommt!
Wofür verwende ich Storytelling konkret im Online Marketing?
- Für die Gründungsstory Eures Unternehmens
- Für eine Success-Story eines Kunden – hier könnt Ihr entweder eine Parabel bzw. Beispielgeschichte konstruieren. Oder aber – und am besten – ist es natürlich mit echten Kunden
- Für Präsentationen auf Konferenzen oder in Meetings – hier hören Euch garantiert 100% mehr Leute zu
- Für einzelne Blogposts
- Für Videos – das ist sogar das beste Medium dafür
Fazit
Storytelling ist meiner Meinung nach eine der wichtigsten Techniken, um sein Content Marketing auf ein neues Level zu bringen. Ich habe hier im Beitrag viele unterschiedliche Definitionen von Storytelling und viele verschiedene „Schulen“ miteinander vermischt. Es gäbe noch viel mehr zu erklären und vorzustellen, aber für den Anfang soll das genügen. Das ist quasi „mein“ Storytelling. Es gibt noch viel mehr dort draußen. Mehr unterschiedliche Sichtweisen, Methoden und Techniken, auf die ich leider nicht eingehen konnte. Storytelling eignet sich übrigens auch (und besonders) für kleine Unternehmen – ihr müsst nicht Ebay oder Harley Davidson heißen!
Meine Fragen an Euch: Wie findet Ihr Storytelling? Habt Ihr schon Erfahrungen damit gemacht? Wie habt Ihr es umgesetzt?
Habt Ihr Interesse an Storytelling? Wir bieten es für Euch an.
Schöner Artikel Julian. Danke dafür!
Mich würden mal Beispiel interessieren, wie du das Prinzip in einzelnen Blogposts umsetzt. Das Prinzip in einem Film umzusetzen kommt mir nämlich ungleich einfacher vor, da zum einen das Format passt, aber auch deutlich mehr Budget da ist. Sprich: Storytelling im „großen Stil“ im Online-Marketing zu nutzen ist natürlich super und wird auch von Erfolg gekrönt sein. Aber kann das auch der „kleine Blogger“ umsetzen?
Grüße
Micha
Ein Super Artikel. Danke Julian.
Hat richtig Spaß gemacht.
Das könnte für ein Baum-beschneiden-Blogpost so aussehen: „Ich habe in meinem Garten ein Baum der zwar gute Früchte trägt, aber ich habe keine Ahnung wie man diesen pflegt (Normalo) es hat mich richtig geplagt zu sehen wie dieser Baum leidet und nur so dahin vegetiert ohne seine volle Pracht zu entfalten. Als dann Mr. X kam und mir beibrachte wie ich mein Baum beschneiden muss, verändert sich meine Welt. Ich lernte meinen Baum zu beschneiden. Ich half meinem Baum seine volle Pracht zu entfalten. Aber dann kam der Sturm…“
Das kann man auf jedes Thema projizieren. Eine super Idee. Danke dafür!
Hallo Julian,
ein schöner Artikel, der die großen Züge des Storytellings gut zusammenfasst – gefällt mir. Danke fürs Teilen im Netz. Auch die Videos fand ich interessant und gut ausgewählt.
Ich finde allerdings, – und hier würde mich Deine Meinung auch interessieren – dass der Striezlmarkt einen klassischen Fehler begeht: Die Geschichte will zuviel. Sie ist mit 4 Minuten recht lang und hat dafür zuviele Handlungsstränge, die sich nicht wiederfinden am Ende, sondern in der Luft hängen bleiben. Hier wird eine Story benutzt, um möglichst viel, viel, viel an Details über den Markt zu erzählen, aber die Story an sich wird nicht ernst genommen. Will sagen: Wer ist hier der Protagonist der Story? Wessen Geschichte wird hier erzählt? Die Weihnachtsmannpuppe verbindet hier ja lediglich die Einzelepisoden. Ich habe, mal ganz platt gesagt, die ganze Zeit darauf gewartet, dass der Mann, der die Puppe verliert, noch mal auftaucht. Sei es, dass es dann „überraschenderweise“ der Vater des Jungen ist, der betrübt ist, dass er das Geschenk für seinen Sohn verloren hat, um dann am Ende eben diese Puppe von seinem Sohn zu Weihnachten zu geschenkt zu bekommen. Im Vergleich zu dem Ebay-Video wird der Bogen nicht geschlossen. Was meinst Du dazu?
Viele Grüße
Jörg
Hallo Jörg,
Da hast Du natürlich Recht, nicht alle Elemente wurden eingehalten. Aber als Beispiel finde ich es trotzdem recht gelungen – die meisten Videos lassen etwas aus beim Storytelling.
Viele Grüße
Julian